ERWACHET! – Digitaler Rechtsextremismus

Regisseur Arne Vogelgesang kreiert mit >>FLAMMENDE KÖPFE<< (UA 23. März 2017 Schauspiel Dortmund) eine Video-Lecture-Performance, die sich mit dem rechtspopulistischen Propaganda Trend im Internet auseinandersetzt und versucht aufzuzeigen, wie digitaler Rechtsextremismus wirkt.

Gespielt wird heute auf dem Podium im großen Saal der Heinrich Böll Stiftung in Berlin. Wo normalerweise Reden und Diskussionen stattfinden, befindet sich nun das Zimmer eines Computernerds. Neben seinem Notebook, das uns Zugang zur digitalen Welt verschafft, befinden sich noch Beamer und zwei Leinwände im Bühnenraum. Und natürlich der Regisseur, welcher auch das Konzept des heutigen Abends entworfen hat, Arne Vogelgesang. Vogelgesang performt heute mit einem virtuellen Chor von rechten Kopf-Avantaren die Schattenseiten unserer Gesellschaft, in der salonfähiger Rassismus und Stammtisch-Parolen ihren eigenen Fleck in der digitalen Welt erschaffen haben. Neue Kommunikationstechnologien, wie beispielsweise youtube und facebook, bieten Usern mit einfachen Mitteln und wenig Aufwand viele Möglichkeiten sich in der digitalen Welt zu präsentieren. Informationen und Botschaften können in Buchteilen von Sekunden ins Netz geladen werden, Vogelgesang spricht von circa 70 Stunden Material in einer Sekunde. Aufmerksam auf die FLAMMENDEN KÖPFE wurde der junge Regisseur, der am Max-Reinhardt Seminar Regie studiert hat, über das Video von einem wütenden Mob im sächsischen Dorf Clausnitz, in dem Stadtbewohner im Februar 2016 einen Bus mit Geflüchteten niedergeschrien haben. Im Bus war der Dolmetscher Wolfram Fischer anwesend, der sich nach dem Vorfall nur an hassende und brüllende Köpfe erinnern kann. Ein Bild, das sich für Vogelgesang zum digitalen Propaganda-Trend entwickelt hat und der Grund, weswegen er auf die Suche nach rechter Propaganda in der digitalen Welt gegangen ist. An diesem Abend werden uns knapp 10 wütende und FLAMMENDE KÖPFE präsentiert, die im Internet auf unterschiedlichen Plattformen über Menschen hetzen, wie Geflüchtete, Staatsrepräsentanten, Frauen und Männer, sowie Menschen mit linkspolitischer Gesinnung. Ihr Slogan >>Wir sind das Volk<<, lässt nicht nur schlimmes erahnen, sondern Vogelgesang nimmt die Zuschauer mit auch eine Quer-Beet-Reise, die grausamer hätte nicht sein können. Beispielsweise treffen wir auf eine junge Frau, die sich gelegentlich Giftzwerg nennt und auf facebook Videos verbreitet, in denen sie Geflüchtete oder Ausländer beschuldigt sich an Frauen zu vergehen. Sie bezieht sich dabei auf die Silvesternacht in Köln, an der über 100 Frauen sexuell belästigt wurden. Der Giftzwerg hat neben seiner Zwillingsschwester noch eine weitere Nachahmerin gefunden, die willkürliche Behauptungen aufstellen und Menschen den Tod wünschen. Ein weiterer Charakter, ein Mann, der youtube-Videos am Schreibtisch erstellt, in denen er auf Brecht, Heine rekurriert und beispielsweise Heines Sehnsucht nach Heimat nachempfinden kann, weil Deutschland so viele Geflüchtete aufgenommen hat und er keinen einzigen Deutschen mehr auf seinem Einkaufsweg in Mannheim sieht.  Oder die Frau, die gelegentlich auf Demos reden hält und Deutschland so sehr liebt, dass während ihres Schreis nach Nationalbewusstsein und nationalsozialistischen Wünschen die Tränen kommen. Vogelgesang transportiert viele zwiespältigen Köpfe aus der digitalen Welt in Animation und mit eigener Gestik und Mimik auf die Bühne. Hin und wieder unterbricht er die Suche nach dem Volk für umgedichtete Volkslieder, in denen die Rassismen der Wutbürger vertont wurden. Das im Schauspiel erwähnte Volk strebt nach einem einem >>WIR<< und verkennt dabei, dass bei ihrem >>WIR<< Menschen zu Minderheiten und zu Fremden degradiert werden, welches auszulöschen gilt.

[caption id="attachment_1061" align="aligncenter" width="624"] >>FLAMMENDEN KÖPFE<< Arne Vogelgesang, Foto: Birgit Hupfeld.[/caption]

Der Abend war grausam, weil über 60 Minuten ein Dutzend rassistische Köpfe und etlich-rechte Netzwerke, sowie Gruppen beim Sprechen und beim >>Meinungsaustausch<< zu zuhören und zu beobachten, kein angenehmes unterfangen ist. Dennoch hat der Zuschauer vieles über Rechtsextremismus in der digitalen Welt erfahren und Vogelgesangs Auseinandersetzung mit digitalen Rechtsextremismus ist eine starke Leistung. Gefehlt hat mir etwas eine in die Tiefe gehende reflektierende Auseinandersetzung mit den FLAMMENDEN KÖPFEN. Beispielsweise, wie man mit solchen Phänomenen umzugehen hat, wie man sich gegen solche rassistische Plattformen wehren kann oder wie man mit inhumanen und/ oder rassistischen Menschen umgeht.

>>FLAMMENDEN KÖPFE<< | Schauspiel Dortmund| Weitere Termine sind aus der hauseigenen Webseite zu entnehmen : https://www.theaterdo.de/detail/event/17625/

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